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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 12 K 7465/01 B
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO, UmwStG
Vorschriften:
AO § 164 Abs. 2 | |
EStG § 10d | |
FGO § 100 Abs. 1 | |
UmwStG § 12 | |
UmwStG § 12 Abs. 3 |
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1997; gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
am 10. Dezember 2008
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts ...,
die Richterin am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ... sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Klägerin stellt Verpackungsmittel her. Ihre alleinige Gesellschafterin war bis 1997 die D GmbH (im folgenden D), deren Anteile sämtlich von Herrn B (im folgenden B) gehalten wurden. Die D war eine Holdinggesellschaft, deren ausschließlicher Zweck das Halten der Anteile an der Klägerin war. Ende 1997 beschlossen die D und die Klägerin, die D auf die Klägerin zu verschmelzen (down stream merger). Die Verschmelzung sollte die Bilanz der D zum 30. September 1997 zugrunde gelegt werden. Die Verschmelzung wurde am 12. Mai 1998 in das Handelsregister eingetragen.
In ihren Steuererklärungen für 1997 erklärte die Klägerin von der D auf sie übergegangene Verluste in Höhe von DM 6 507 903, die in Höhe von DM 4 000 000 auf einer Teilwertabschreibung der D auf die Anteile an der Klägerin und im übrigen auf Zinsaufwand der D beruhten.
Der Beklagte erließ - nach vorangegangenem Schriftwechsel über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 und 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) - zunächst Verlustfeststellungsbescheide für 1997, in denen der Verlust erklärungsgemäß berücksichtigt wurde. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Klägerin legte dagegen aus anderen Gründen Einsprüche ein. Der Beklagte half den Einsprüchen der Klägerin ab und erließ am 29. August 2001 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide, in denen er den von der D übernommenen Verlust nicht mehr berücksichtigte. Dagegen legte die Klägerin erneut Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2001 zurückwies.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin zunächst geltend, dass der Beklagte bei Erlass der Änderungsbescheide vom 29. August 2001 gehindert gewesen sei, von der Änderungsmöglichkeit des § 164 Abs. 2 AO Gebrauch zu machen. Die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte seien bereits vor Erlass der ursprünglichen Bescheide ausgetauscht worden.
Danach komme eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht mehr in Betracht, weil sie, die Klägerin, davon habe ausgehen können, dass eine rechtlich abschließende Prüfung stattgefunden habe.
In der Sache vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der von der D übernommene Verlust bei ihr steuerlich zu berücksichtigen sei. Sie macht geltend, dass die Vorschriften des UmwStG 1995 dazu ausweislich der Gesetzesbegründung dazu gedient hätten, steuerliche Hemmnisse bei der Umstrukturierung von Unternehmen weitgehend zu beseitigen.
Die Möglichkeiten der Übertragung nicht verbrauchter Verluste von der übertragenden auf die aufnehmende Gesellschaft hätten erweitert werden sollen. Da anlässlich der Änderung des Gesetzes durch das Gesetz zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform keine Ausführungen über Verschmelzungen einer Mutter- auf eine Tochtergesellschaft zu finden seien, habe die ursprüngliche Gesetzesbegründung insoweit weiter Gültigkeit. § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG sei so auszulegen, dass die Fortführung der gesamten wirtschaftlichen Aktivität durch die übernehmende Gesellschaft, die zuvor bei der Muttergesellschaft durch das Halten der Beteiligung repräsentiert worden sei, ausreiche. Sie, die Klägerin, habe ihre Geschäftstätigkeit, die vor der Verschmelzung der D wirtschaftlich zuzurechnen gewesen sei, nach Art eines Branchenwechsels fortgeführt. Branchenwechsel seien aber nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG n.F. im Falle der Beibehaltung der personellen und sachlichen Ressourcen unschädlich, weil der Betrieb als solcher nicht eingestellt, sondern nur der konkrete Geschäftsbetrieb gewandelt werde. Die Klägerin beruft sich dazu auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. April 1999 (Bundessteuerblatt - BStBl. - I 1999, 455, Tz. 19).
Der Beklagte hat während des Klageverfahrens am 21. Mai 2002 einen aus mit dem Klageverfahren nicht zusammenhängenden Gründen geänderten Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1997 erlassen, der zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 vom 29. August 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2001 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2001 vom 21. Mai 2002 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2001 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 DM 15 997 601 und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1997 DM 13 356 354 beträgt,
sowie,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht den von der D übernommenen Verlust bei der Klägerin nicht berücksichtigt.
a) Der Beklagte war nicht gehindert, mit Änderungsbescheiden vom 29. August 2001 die ursprünglichen Bescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO im Hinblick auf den übernommenen Verlust zu ändern. Ein wirksamer Vorbehalt der Nachprüfung steht der Entstehung eines Vertrauenstatbestandes des Steuerpflichtigen entgegen, so dass die Finanzbehörde grundsätzlich nicht gehindert ist, einen zugunsten des Steuerpflichtigen ergangenen, aber später als fehlerhaft erkannten Bescheid zu ändern. Der Steuerpflichtige muss bis zum Ergehen eines endgültigen Bescheides mit der umfänglichen formellen und materiellen Überprüfung seines Anspruches rechnen (Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 05. Juni 2003 - III R 25/00, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2003, 1529, unter II.1.a) der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Verhalten des Finanzamtes ausnahmsweise einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Steuerpflichtigen geschaffen hat (BFH in BFH/NV 2003, 1529 , unter II.1.b) der Gründe). Das war hier jedoch nicht der Fall. Allein der Umstand, dass der Beklagte in seinem Ausgangsbescheid noch der Argumentation der Klägerin hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 12 UmwStG gefolgt ist, reicht nicht aus, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine rechtliche Würdigung, die der Beklagte überprüfen und gegebenenfalls revidieren kann, solange der Vorbehalt der Nachprüfung besteht.
b) Der Beklagte hat auch in der Sache die Berücksichtigung des von der D übernommenen Verlustes zu Recht versagt.
Anwendbar ist § 12 Abs. 3 Satz 3 UmwStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997, weil die Eintragung der Verschmelzung nach dem 05. August 1997 beantragt worden ist (vgl. § 27 Abs. 3 UmwStG).
Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG tritt die übernehmende Körperschaft hinsichtlich eines verbleibenden Verlustvortrages im Sinne des § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein, wenn der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird.
Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Der Betrieb der D ist nicht in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang fortgeführt worden.
Nach der Verschmelzung auf die Klägerin kam eine Fortführung naturgemäß nicht in Betracht (vgl. in diesem Sinne auch Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Loseblatt-Kommentar, § 12 UmwStG Rn. 635). Der Klägerin ist nicht darin zuzustimmen, dass ihre Geschäftstätigkeit vor der Verschmelzung der D wirtschaftlich zuzurechnen gewesen sei und nach der Verschmelzung - als Geschäftsbetrieb der D - unverändert von ihr fortgeführt worden sei. Vor der Verschmelzung waren die Klägerin und die D - ungeachtet der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit - eigenständige Rechtspersönlichkeiten, die jede ihren eigenen Geschäftsbetrieb unterhielten. Der Geschäftsbetrieb der D bestand im Halten der Beteiligung an der Klägerin, der Geschäftsbetrieb der Klägerin bestand in der Herstellung und dem Vertrieb von Verpackungsmitteln. Die Klägerin hat ihren eigenen Betrieb - und nicht etwa einen mittelbar von der D betriebenen Geschäftsbetrieb - nach der Verschmelzung fortgeführt; der Betrieb der D wurde eingestellt. Insofern lag auch nicht ein Branchenwechsel, wie er in dem BMF-Schreiben vom 16. April 1999 (in BStBl. I 1999, 455, Tz. 38 i.V.m. 19) angesprochen ist, vor.
2. Die Revision zum Bundesfinanzhof war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage, ob die Verschmelzung einer Holdinggesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft regelmäßig den Übergang bestehender Verlustvorträge auf die Tochtergesellschaft verhindert, obwohl § 12 Abs. 3 UmwStG von seiner Intention her die missbräuchliche Nutzung von "Verlustmänteln" verhindern und nicht die Umstrukturierung innerhalb bestehender Konzernverbunde erschweren soll, von grundsätzlicher Bedeutung ist und höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, soweit ersichtlich, bislang nicht ergangen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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